Von Dr. Elsa Maria Cardona Santos, Deutsche Umwelthilfe (DUH)
Die Natur ist unser Kapital. Die Leistungen unserer Ökosysteme sind sowohl für die deutsche Landwirtschaft wie auch für die Gesellschaft unabdingbar. Wird die Bereitstellung dieser Leistungen durch agrarpolitische Entscheidungen gefördert werden? Die wesentlichen politischen Entscheidungen zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik in Deutschland ab 2023 sind gefallen. Wie ambitioniert werden die Länder mit ihren Spielräumen bei der Ausgestaltung der Programme umgehen? Und wie können die Ziele des Europäischen Green Deals, der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie im Bereich der Agrar-Umweltpolitik zusammengeführt werden?
Am 25. Mai 2021 führten das Innovationsnetzwerk Ökosystemleistungen Deutschland (ESP-DE) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) online die Veranstaltung „Die Werte von Naturkapital und Landwirtschaft zusammendenken: Empfehlungen für die Umsetzungen der Agrarpolitik“ im Rahmen des Projektes „Natur ist unser Kapital“ durch, um gemeinsam mit hochrangigen Teilnehmenden aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft Wege zu diskutieren für eine innovative und wirkungsvolle Ausgestaltung der Agrar- und Umweltpolitik, die unser Naturkapital in Wert setzt.
Die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020
Kathrin Maria Rudolf, Europäische Kommission, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, stellte die Perspektiven der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 vor. In der gleichen Woche wie diese Veranstaltung fanden die letzten GAP Verhandlungen statt. Bis Ende 2021 werde die Einreichung der GAP- Strategiepläne erwartet. Dabei sollen die Ziele des Europäischen Green Deals und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ berücksichtigt werden. Die künftige GAP solle durch die sogenannte „grüne Architektur“ dazu beitragen, den Klimawandel einzudämmen, die Umwelt zu schützen und die Biodiversität zu bewahren. Dabei solle das bisherige Greening durch Zahlungen ersetzt werden, die an Umweltauflagen geknüpft werden. Zusätzlich sollen Zahlungen für freiwillige Maßnahmen angeboten werden, sogenannte Öko-Regelungen.
Ansichten und Empfehlungen von Wissenschaftler:innen zur Verbesserung der Leistung für die biologische Vielfalt
Dr. Guy Pe’er, Forscher am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung und am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung, stellte die Empfehlungen von Wissenschaftler:innen für die GAP nach 2020 vor. Deren umfassende Studie zeigt die Relevanz von Landschaftselementen und naturnaher Flächen sowie der Vielfalt der Lebensräume und deren Multifunktionalität. Die GAP-Förderung solle an hohe Grundanforderungen (durch Konditionalität) gebunden sein, etwa mindestens 5 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebsflächen aus der Bewirtschaftung zu nehmen und dem Naturschutz zur Verfügung zu stellen, sowie keine Verschlechterung des ökologischen Zustandes von Lebensräumen zuzulassen. Als Öko-Regelungen sollen nur Maßnahmen gefördert werden, die sich nachweislich als wirksam erwiesen haben, und solche auszuschließen, die von den Landwirt:innen ohnehin umgesetzt werden. Nutzen und Wirksamkeit von Maßnahmen sollten außerdem anhand eines Punktesystems vergütet werden. Kommunikation, Bildung und Einbeziehung der Landwirt:innen seien wichtig für die Verbesserung der Akzeptanz der Maßnahmen, genauso wie ein effektives Monitoring. Räumliche Planung und Regionalisierung sowie kooperative und ergebnisorientierte Ansätze sollen die Effektivität und Effizienz der Zahlungen erhöhen.
Innovative Ansätze bei der Ausgestaltung von Agrarumweltmaßnahmen Wie kann hier der Ansatz der Ökosystemleistungen genutzt werden?
Prof. Dr. Bettina Matzdorf vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, stellte innovative Ansätze für die Ausgestaltung von Agrarumweltmaßnahmen vor, um neben Direktzahlungen zusätzliche Anreize für Landwirt:innen zu schaffen. Beispielsweise erhöhe sich die Motivation, wenn Landwirt:innen sich bewusst für die Teilnahme entscheiden können und wenn sie für eine Bereitstellung bezahlt würden anstatt etwas nicht zu machen. Innovationsfreude sei das, was in Deutschland fehle. Deutschland war Vorreiter mit ergebnisorientierten Zahlungen; diese könnten weiterentwickelt werden. Dabei könnten leicht messbare Indikatoren benutzt werden, die Landwirt:innen beeinflussen können, damit sie mit dem Risiko umgehen können. Landwirt:innen könnten an der Erhebung mit beteiligt werden und die Transaktionskosten sollten gering gehalten werden. Unter anderem sei es sinnvoller, sich auf Landschaftsebene zu fokussieren anstatt auf Feld- und Betriebsebene. Kooperative Verträge wie am Beispiel der Niederlande sei dabei ein interessanter Ansatz. Agrarumweltprogramme sollten die Option geben für Gruppenanträge. Sowohl politischer Wille für neue Ansätze auf Bundes- und Landesebene wie auch eine Akzeptanzerhöhung bei Landwirt:innen und Administration seien unabdingbar.
Die Gemeinwohlprämie: Gemeinwohlleistungen einen Wert geben als Grundlage landwirtschaftlichen Einkommens
Sönke Beckmann, Deutscher Verband für Landschaftspflege Schleswig-Holstein, präsentierte das Konzept der Gemeinwohlprämie, ein Ansatz, mit dem das Fördersystem der Gemeinsamen Agrarpolitik zukünftig nach dem Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ ausgerichtet werden könne. Durch die Gemeinwohlprämie sollen landwirtschaftliche Betriebe für ihre erzielten flächenbezogenen Umweltleistungen honoriert werden anstatt pauschal nach dem Umfang der förderfähigen Hektarfläche. Dieser bundesweit anwendbare Ansatz beinhaltet einen Katalog von 19 Maßnahmen, aus denen Betriebe die für sie passenden Maßnahmenkombinationen auswählen können. Diese sollen gemäß ihrer Wertigkeit für den Biodiversitäts-, Klima- und Gewässerschutz honoriert werden. Die Bepreisung der ökologischen Effekte solle Anreize und Motivation für die Bereitstellung von Ökosystemleistungen schaffen.
Im Umsetzungsplan der GAP in Deutschland müssen die Details noch festgelegt werden
Es wurde argumentiert, dass der Umsetzungsplan der GAP in Deutschland mit einem größeren Budget und Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen in die richtige Richtung gehe, dass aber die Details noch festgelegt werden müssen, z.B. Höhe der Zahlungen und Managementrichtlinien. Diese seien entscheidend für deren Erfolg, beispielsweise die Wahl effektiver Maßnahmen. Anstatt Präsizionslandwirtschaft, Zwischenfrüchte und Begrünung, intensive Beweidung, Forstwirtschaft und nicht-nachhaltige Aufforstung zu fördern, sollten der Anbau vielfältiger Kulturen und die Bereitstellung von Flächen zur Biodiversitätsförderung honoriert werden. Dazu gehören z.B. der Schutz nicht produktiver Flächen und Landschaftsebenen, die Anlage von Blühstreifen oder -flächen auf Ackerland oder in Dauerkulturen, die Extensivierung des gesamten Dauergrünlands, der Schutz von Feuchtgebieten und die Wiederherstellung der Lebensraumqualität, Feldraine, Pufferstreifen und Brachflächen. Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sollten auf Acker und Dauerkulturen nicht mehr benutzt und die Schutzziele von Natura 2000-Gebieten gefördert werden. Dabei spielt die Flexibilität eine große Rolle; diese könne durch z.B. ein Punktesystem, Auktionen oder Landschaftsplanung gewährleistet werden. Allein dadurch, dass die nicht effektiven Maßnahmen aus der GAP weggestrichen würden, wäre schon viel erreicht für den Naturschutz. Mit direkten Zahlungen können man viel erreichen. Allerdings gebe es viele Unsicherheiten in Bezug auf den GAP-Prozess und mangele es an Transparenz bei der Entwicklung der strategischen Pläne der Länder.