Von Svane Bender, Bereichsleiterin für Naturschutz und Biologische Vielfalt, Deutsche Umwelthilfe
Es sollte eine Arbeits-Konferenz werden: Die Überprüfung des Standes der Umsetzung stand im Vordergrund der Agenda für die Teilnehmenden der COP 16; zudem mussten zahlreiche Beschlüsse weiter präzisiert werden. Denn Ende 2022 hatten sich die Vertragsstaaten in Montreal auf 23 ambitionierte Ziele geeinigt. Dazu gehörte neben der Finanzierung durch die Industriestaaten auch die Vorlage verbindlicher Strategien und Aktionspläne mit messbaren Ergebnissen. Jedoch hatte nur gut ein Viertel der anreisenden Vertragsstaaten diese auch im Gepäck. Auch die Bilanz für die Unterschutzstellung von 30 % der Landes- und Meerfläche, die 2022 beschlossen wurde, fiel eher ernüchternd aus: Insgesamt standen nur rund 18 % der Landfläche und 8 % der Meeresfläche zum Zeitpunkt der Konferenz unter Schutz.
Wichtige Beschlüsse, aber fehlender Wille zur Finanzierung
Dennoch zeichnete sich die Konferenz zu Beginn durch große Erwartungen und spürbare Motivation der Teilnehmenden aus, nicht nur, aber bestimmt auch, weil sich Kolumbien und die Stadt Cali als grün-biodiverses, herzliches und äußerst gastliches Gastgeberland erwiesen. Eine besondere Note gaben der Konferenz zudem die zahlreichen Vertreter*innen indigener Gruppierungen aus den Tiefland- und Bergregionen Kolumbiens: Mit ihrer Präsenz auf dem sonst eher kühl-sachlich bis naturfernen Konferenzgelände machten sie ihre besondere Rolle für Biodiversitätserhalt und Naturverbundenheit deutlich.
Und so gelang es den fast 200 Mitgliedstaaten anfangs auch teilweise sehr zügig, Beschlüsse zu fassen. Besonders hervorzuheben sind hierbei:
- Die Stärkung der Rolle und Beteiligung indigener Völker und lokaler Gemeinschaften durch die Einrichtung eines permanenten Ausschusses. Traditionelles Wissen soll künftig auch bei der Bewältigung der Klimakrise besser berücksichtigt werden. Der Beschluss wurde von den anwesenden Indigenen sehr positiv aufgenommen.
- Ein Durchbruch für die Anerkennung und damit den Schutz von Meeresgebieten (EBSA). Nach acht Jahren zäher Verhandlungen wird es künftig ein besseres und effizienteres Verfahren geben, um biologisch wertvolle Meeresgebiete, die unter Schutz gestellt werden sollten, zu identifizieren. Dies kommt auch dem neuen UN-Hochseeschutzabkommen BBNJ zugute.
- Die Einrichtung eines Mechanismus zum Vorteilsausgleich bei Nutzung genetischer Ressourcen (digitaler Sequenzinformationen, DSI) mit dazugehörigem Fonds, dem so genannten Cali-Fonds. Unternehmen, die Gensequenzen von Organismen beispielsweise für Medikamente oder Kosmetika nutzen, sollen 0,1 % des erzielten Umsatzes oder 1 % der Gewinne in den Fonds einzahlen. Empfänger sollen zur Hälfte die Staaten sein, aus denen die Gensequenzen stammen, zur anderen Hälfte die indigenen Gruppen. Der Beschluss wurde hart verhandelt, ist aber hinsichtlich der Anerkennung des Wertes genetischer Ressourcen und einer Teilhabe der Hüter der Biodiversität an der Nutzung „ihrer“ genetischen Ressourcen sehr bedeutend.
- Zusammendenken von Biodiversitäts- und Klimaschutz auf Politik-, Planungs- und Umsetzungsebene. Künftig soll es eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Biodiversitätsrat IPBES und dem Weltklimarat IPCC geben. Synergien zwischen der Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategien, nationalen Aktionspläne (NBSAPs) und nationalen Klimabeiträge (NDCs) sollen zudem künftig besser genutzt werden.
Während die Verhandlungen – meist hinter verschlossenen Türen – intensiv fortgesetzt wurden und gleichzeitig ein buntes Portfolio an Veranstaltungen für die Besucher*innen auf dem weiten Gelände stattfand, wurde mit sich näherndem Ende der Konferenz immer klarer: Eine Einigung zur Finanzierung wird schwierig. Der ursprünglich geschätzte Finanzierungsbedarf belief sich auf 700 Milliarden USD. Geplant war, dass die reichen Industrieländer, deren Naturflächen und Artenvielfalt zu großen Teilen schon zerstört sind, die ärmeren Länder künftig bei der Bewahrung von Biodiversität unterstützen. Ab 2025 sollten daher 20 Milliarden USD aus der 1991 eingerichteten Globalen Umweltfazilität KMGBF an die ärmeren Länder fließen. Auf der Konferenz konnten sich die Vertragsstaaten jedoch nicht auf die Modalitäten der Verausgabung der Mittel einigen – und vor allem blieben die zugesagten Summen deutlich hinter dem Ziel zurück. Nur ein Bruchteil der von den Industrieländern versprochenen 20 Milliarden Dollar wurde aufgebracht. Zum Ende der Konferenz bedeutete es einen deutlichen Dämpfer für die vielen bereits abreisenden Delegierten und Besucher*innen, dass nicht ausreichend Mittel generiert wurden, um letzte hochbiodiverse Regionen bei der Erhaltung zu unterstützen.
Business mit Biodiversität?
Während der Abbau von für Artenvielfalt schädlichen Subventionen nur am Rande unter Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaft diskutiert wurden, wurden andere Akzente bei der Monetarisierung von Biodiversität gesetzt. Die EU und Frankreich stellten erste Konzepte für handelbare Zertifikate als Kompensationszahlungen für die Zerstörung von Natur und Biodiversität vor. Ein gefährlicher Vorstoß: Solche Biodiversitätszertifikate würden eine geregelte Zerstörung einzigartiger Naturflächen und Arten ermöglichen und für die Industrie einen Freifahrtschein bedeuten. Stattdessen würde der Abbau schädlicher Subventionen auf einfache Weise hohe Summen für Biodiversitätsschutz zur Verfügung stellen.
Gemischte Aussichten
Mit dem abrupten Ende der Konferenz wurden einige der Beschlüsse auf außerordentliche Treffen im Jahr 2025 vertagt. Es bleibt abzuwarten, ob ohne den Geist einer Vertragsstaaten-Konferenz, ausreichend Finanzierung und in Zeiten zunehmender Orientierung auf Wirtschaftswachstum die Mitgliedstaaten ihren Pflichten nachkommen werden. Die nächste Vertragsstaaten-Konferenz soll 2026 in Armenien stattfinden.