Fallbeispiel

Die Opfer des Kakaokonsums in Deutschland

In 2010 wurden in Deutschland ca. 384.500 Tonnen Kakao konsumiert; somit war Deutschland der zweitgrößte Kakaokonsument weltweit. Allein in diesem Jahr führte der Konsum von Kakao in Deutschland zu einem alarmierenden Verlust an Biodiversität in den Ländern, in denen dieser produziert wurde. Laut einer Studie führte diese Produktion zu einer Nutzung von 931.318 Hektar Land und beispielsweise durch Lebensraumverluste zum Aussterben von fast 9 Arten in Afrika, Latein-Amerika und Südostasien (Kleemann et al, 2020).

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Problemstellung

Durch ein rasantes Wirtschaftswachstum und weltweit steigende Bevölkerungszahlen erhöht sich der Verbrauch an natürlichen Ressourcen. Ökosysteme werden dabei verändert, übernutzt und verschmutzt. Das treibt den Verlust an biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen an. Durch die Globalisierung der Geschäftsbeziehungen beeinflussen unsere Lieferketten auch die Ökosysteme und ihre Leistungen in anderen Ländern (TEEB DE, 2013). Deutsche Unternehmen sind zu einem bedeutenden Teil von der Ressourcennutzung im Ausland abhängig und für die Gefährdung bedrohter Arten in den jeweiligen Ursprungsländern mitverantwortlich (siehe Graphik) (TEEB DE, 2013).

Kakao ist ein wichtiges Handelsgut in Deutschland und wird hauptsächlich aus Westafrika importiert (Mayer et al., 2018). Der Kakaoanbau erfolgt oft in Monokulturen mit massivem Einsatz von Kunstdünger, Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden mit negativen Effekten auf die Biodiversität und somit auf das Wohlergehen der Gesellschaft. Intakte Ökosysteme werden gerodet, um Anbaufläche für Kakao zu schaffen. Im Vergleich zu den ursprünglichen Regenwäldern nimmt die Artenvielfalt im Mittel sogar um 46 % ab (GNF, 2018).

Maßnahme

Kleemann et al. (2020) quantifizieren die Menge an eingebetteten Ökosystemleistungen in der Kakaoproduktion und die damit verbundenen Auswirkungen des deutschen Kakaoimports auf die Artenvielfalt in anderen Ländern. Es ist notwendig, solche grenzüberschreitenden Auswirkungen zu identifizieren, um interregionale Ungleichheiten in Bezug auf den Zugang, Nutzen und Verteilung der Ökosystemleistungen (Sikor et al., 2014) zu bekämpfen (Kleemann et al., 2020).

Analyse

In Deutschland stiegen die Kakaoimporte von 2008 bis 2015 um 34% auf 1.103.000 Tonnen (Mayer et al., 2018). Deutschland war 2010 der zweitgrößte Kakaokonsument der Welt mit einem geschätzten Verbrauch von mehr als 348.500 Tonnen Kakaobohnen. Ca. 85% dieses Kakaos stammt aus West- und Zentralafrika (Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria, Kamerun und Togo), gefolgt von Ecuador und Indonesien. Das Ackerland für den deutschen Kakaokonsum beträgt weltweit 931.318 Hektar, davon fast 800.000 Hektar in Westafrika (Kleemann et al., 2020) – das sind 2,5% der Fläche Deutschlands, die wir weltweit allein für den deutschen Kakaokonsum beanspruchen.

Die Kakaoproduktion hängt weitgehend von den eingebetteten Ökosystemleistungen ab, zum Beispiel von der Bestäubung durch wilde Tierarten. Diese Bestäuber machen etwa 95% des Ernteertrags aus (Gallai et al., 2009; Kaufmann, 1975). Gäbe es diese Wildbestäuber nicht, wäre für die Kakaoproduktion eine zusätzliche Fläche von fast 17,7 Millionen Hektar notwendig (Kleeman et al., 2020).

Der Verlust der biologischen Vielfalt, die auf den deutschen Kakaokonsum zurückgeführt werden kann, kann durch die erwartete Anzahl an Arten quantifiziert werden, die durch die Umwandlung der Lebensräume in Ackerland verloren gehen. Kleemann et al. (2020) schätzen, dass der Kakaokonsum in Deutschland für den Verlust von fast 9 regionalen Arten verantwortlich ist, davon mindestens 3 in Kamerun, gefolgt von fast 2 in Ecuador.

Bedrohte Arten durch Nachfrage aus/ Handel mit Deutschland. Eigene Darstellung nach Lenzen et al. (2012) und TEEB DE (2013).

Fazit

Es ist entscheidend, dass Wirtschaft und Gesellschaft ihre Verantwortung erkennen und Handlungsoptionen wahrnehmen. Unternehmen können dem Verlust der Biodiversität durch ein Umdenken hin zu effektiven und nachhaltigen Geschäftsprozessen entgegenwirken. Die Herausforderung liegt darin, unternehmerische Tätigkeiten mit dem Wirken und dem Fortbestand von biologischer Vielfalt und Ökosystemen in Einklang zu bringen. Die Politik muss die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um den Verlust der Ökosystemleistungen in den Lieferketten zu verhindern.

Referenzen

European Commission (2013): Climate Focus estimates based on European Commission. The impact of EU consumption on deforestation: Comprehensive analysis of the impact EU consumption on deforestation. Technical Report 063.

FAO (1996) Agriculture Production Yearbook. United Nations Food and Agriculture Organization, Rome, Italy.

Gallai, N., Salles, J.M., Settele, J., Vaissière, B.E., 2009. Economic valuation of the vulnerability of world agriculture confronted with pollinator decline. Ecol. Econ. 68, 810–821.

Global Nature Fund (GNF) (2018): Dauerkulturen: Anbau von Kakao. EU LIFE-PROJEKT. Food and Biodiversity.

Kaufmann, T., 1975. Ecology and behavior of cocoa pollinating ceratopogonidae in Ghana, W. Africa. Environ. Entomol. 4 (2), 347–351.

Kleemann, J., et al. (2020): „Quantifying interregional flows of multiple ecosystem services – A case study for Germany.“ Global Environmental Change 61 102051.

Lenzen, M. u. a. (2012): International trade drives biodiversity threats in developing nations. Nature. 486:109–112 Doi:10.1038/ nature11145.

Mayer, M., Schuh, M., Flachmann, C., 2018. Umweltökonomische Gesamtrechnungen: Flächenbelegung von Ernährungsgütern 2008 – 2015. Statistisches Bundesamt (Destatis) (Accessed 21 March 18).

Naturkapital Deutschland – TEEB DE (2013): Die Unternehmensperspektive – Auf neue Herausforderungen vorbereitet sein. Berlin, PricewaterhouseCoopers; Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ; Bonn, Bundesamt für Naturschutz.

Sikor, T., Martin, A., Fisher, A., He, J., 2014. Toward an empirical analysis of justice in ecosystem governance. Conserv. Lett. 7 (6), 524–532.

Über dieses Projekt

Natur ist unser Kapital ist eine Kampagne, um den Wert unseres Kapitals Natur anhand der Aufbereitung von Fallbeispielen aus Wissenschaft und Praxis sichtbar zu machen. Intakte und funktionsfähige Ökosysteme und ihre Leistungen bilden die Existenzgrundlage unseres Lebens. Dennoch wird der Wert dieses Kapitals nicht ausreichend in öffentlichen und privaten Entscheidungen berücksichtigt.

Unsere Art und Weise des Wirtschaftens und Konsumierens führt zu einer Überlastung der Natur. Das beeinträchtigt die Bereitstellung viele ihrer Leistungen und bedroht unsere Gesundheit, Lebensqualität und unser Wohlbefinden. Die Natur ist aus ökonomischer Sicht ein notwendiger Kapitalbestand, den wir erhalten und wiederherstellen müssen.

Nicht die Natur braucht uns, sondern wir brauchen die Natur und ihre Leistungen!

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