Fallbeispiel

Moorschutz bedeutet Klimaschutz

37 Prozent der gesamten Klimagas-Emissionen aus der deutschen Landwirtschaft gehen von trockengelegten Mooren aus. Die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten sind höher als der private betriebliche Nutzen. Die Wiedervernässung unserer Moorböden würde einen großen Beitrag zum Klima- und Gewässerschutz leisten. Außerdem würden mehr als 50 landwirtschaftlich nutzbare Pflanzenarten auch auf natürlich erhaltenen Moorböden gedeihen.

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Problemstellung

Moore sind einzigartige Lebensräume für eine Vielzahl hochspezialisierter Lebensgemeinschaften. Außerdem erbringen sie wichtige Ökosystemleistungen, weil sie als Wasser- und Nährstoffspeicher sowie als Kohlenstoffspeicher dienen. Intakte Moorflächen sind auch für den Klimaschutz sehr bedeutend. Sie nehmen kontinuierlich und dauerhaft Kohlenstoff auf und speichern diesen langfristig im Boden. Weltweit wird die in Moorböden gespeicherte Menge an Kohlenstoff auf mindestens 550 Mrd. t geschätzt, was ca. 30 % des weltweiten Bodenkohlenstoffs entspricht, obwohl Moorböden nur 3 % der terrestrischen Erdoberfläche bedecken (Parish et al., 2008).

Ca. 95 % der Moorflächen in Deutschland wurden entwässert und durch die Landwirtschaft (72 %), die Forstwirtschaft (14 %), für Infrastruktur (7 %), Torfabbau (1,5 %) und anderweitig (1,5 %) genutzt. Dadurch sind Moore auf 1.280.000 ha (3,6 % Flächenanteil) zurückgegangen (Joosten et al., 2017). Die Entwässerung der Moorböden führt zu weitreichenden Umweltschäden. Die Moore verlieren dadurch nicht nur ihren Wert für die speziellen Lebensgemeinschaften, sie werden durch einsetzende Torfmineralisation auch zu Treibhausgasquellen (Joosten et al., 2013). Die durch den Klimawandel bedingten sommerlichen Niederschlagsabnahmen und erhöhten Temperaturen verschärfen diese Situation (BMU und BfN, 2020). So tragen entwässerte Moorböden mit der Freisetzung von ca. 41 Mio. t CO2-Äquivalenten pro Jahr zu 37 % der Emissionen aus der deutschen Landwirtschaft (UBA, 2016b) bzw. zu ca. 4,4 % der jährlichen deutschen Brutto-Gesamtemissionen bei – obwohl diese Böden nur rund 8 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche ausmachen (TEEB DE, 2015).

Maßnahme

Der Erhalt von Moorflächen zur Förderung einer natürlichen Entwicklung und Wiederherstellungsmaßnahmen wie die Wiedervernässung von Moorgebieten.

Analyse

Moorrevitalisierungen tragen zum Schutz von Klima, Biodiversität, Gewässer und Böden bei und somit zu den Zielen verschiedener rechtlicher Vorgaben und Strategien wie der Nationalen Klimaschutzinitiative, der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der Europäischen Bodenschutzstrategie. Wüstemann et al. (2014) analysierten die Kosten und Nutzen der Implementierung der Nationalen Biodiversitätsstrategie in Deutschland für verschiedene Landnutzungen. Zu den Maßnahmen für Moorböden gehört deren Erhalt zur Förderung einer natürlichen Entwicklung und Wiederherstellungsmaßnahmen wie die Wiedervernässung von Gebieten.
Die Ergebnisse von Wüstemann et al. (2014) zeigen, dass diese Maßnahmen erheblich zum Klimaschutz durch die Vermeidung von Treibhausgasemissionen beitragen können. In Deutschland findet derzeit auf mehr als 900.000 ha Moorböden eine landwirtschaftliche Nutzung statt. Es wird geschätzt, dass dabei jedes Jahr etwa 20 t Treibhausgase je Hektar emittiert werden.
Durch eine Wiedervernässung lassen sich diese Treibhausgasemissionen erheblich reduzieren. Eine Schätzung der möglichen Emissionsminderung kann auf Grundlage der Untersuchung von Moorwiedervernässungsprojekten in Mecklenburg-Vorpommern erfolgen. Dort vermeiden die zwischen den Jahren 2000 und 2008 ca. 30.000 Hektar wiedervernässten Moorböden ungefähr 300.000 Tonnen THG pro Jahr (durchschnittlich ca. 10 t / ha / Jahr). In der Studie von Wüstemann et al. wird angenommen, dass eine Moorrevitalisierung auf einer Fläche von fast 310.000 Hektar erfolgen könnte. Legt man die Einsparung von 10 t THG / ha / Jahr zu Grunde, liegen die Reduktionspotentiale für die beabsichtigten Revitalisierungsmaßnahmen bei etwa 3,1 Mio. Tonnen Treibhausgase pro Jahr.
Nach der Empfehlung des Bundesumweltamts müssen die Grenzschadenskosten von THG-Emissionen bei der Nutzen-Kosten-Berechnung öffentlicher Projekte mit 70 Euro pro Tonne berücksichtigt werden. Unter dieser Annahme ließen sich durch die Wiedervernässung von 300.000 Hektar Moorböden volkswirtschaftlichen Schäden in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro vermeiden.
Die jährlichen Kosten dieser Wiederherstellungsmaßnahmen für Moorflächen betragen nach Einschätzungen von Wüstemann et al. (2014) durchschnittlich 200 Euro pro Hektar für einen Zeitraum von 10 Jahren von 2010 bis 2020. Damit belaufen sich die Kosten für 300.000 Hektar auf 60 Millionen Euro, deutlich weniger als der monetäre Wert der vermiedenen Klimaschäden. Dabei wird der gesellschaftliche Vorteil des Nährstoffrückhalts oder des Beitrags zur Erhaltung der Artenvielfalt durch die Revitalisierung von Moorökosystemen noch gar nicht berücksichtigt. Moorflächen können die Wasserqualität verbessern; im naturnahen Zustand sind sie wirksame Stoffsenken. Durch Torfwachstum werden gelöste Stickstoff- und Phosphorverbindungen aufgenommen und im Torf festgelegt (Succow 2001). Diese Wiederherstellungsmaßnahmen würden bis zu 92kg Stickstoff per Hektar aufnehmen. Bei Vermeidungskosten von 3 Euro/kg Stickstoff würden diese Maßnahmen zu Vermeidungskosten von mehr als 80 Millionen Euro führen. Mit der Wiedervernässung von Mooren ergeben sich auch positive Effekte für den Biodiversitätsschutz (DRÖSLER 2008). Moorgebiete bieten einen besonderen Lebensraum für viele Pflanzen sowie seltene Amphibien- und Vogelarten. Wüstemann et al. (2014) quantifizierten allerdings nicht den monetären Wert des Biodiversitätsschutzes durch die Revitalisierung der Moorflächen.
Im Rahmen des Naturkapital Deutschland-Vorhabens wurden zudem einmal exemplarisch Nutzen und Kosten einer ackerbaulichen Nutzung von Moorböden aus Sicht eines einzelnen Landwirts und aus gesellschaftlicher Sicht gegenübergestellt Die Analyse zeigt klar, dass den privaten Einkommen aus der landwirtschaftlichen Nutzung hohe gesellschaftliche Kosten gegenüberstehen (TEEB-DE, 2017). Wird bspw. Mais für die Biogaserzeugung angebaut, sind die gesellschaftlichen Kosten durch die Freisetzung von Klimagasen und Gewässerbelastungen einschließlich Subventionen an Landwirte und Biogasanlagenbetreiber etwa viermal so hoch wie die betrieblichen Einkommen. Die für den Energiepflanzenanbau notwendige Entwässerung der Moorböden verursacht deutlich mehr THG-Emissionen als durch die Substitution von fossilen Energieträgern durch Energiepflanzen eingespart wird.

Fazit

Die auf Entwässerung basierende landwirtschaftliche Nutzung von Moorstandorten führt zum Verlust zahlreicher Ökosystemleistungen. Die Wiedervernässung von Moorböden ist kostengünstiger Klimaschutz, der zugleich positive Wirkungen für den Gewässerschutz und die Erhaltung der biologischen Vielfalt entfaltet.

Referenzen

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und Bundesamt für Naturschutz (BfN) (2020): Die Lage der Natur in Deutschland. Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Bonn.

Drösler, M. (2008): Von der Spurengasmessung zur Politikberatung – interdisziplinärer Ansatz und erste Ergebnisse des Verbundprojekts „Klimaschutz – Moornutzungsstrategien“. Vortrag auf dem Symposium „Biodiversität und Klimawandel“, BfN, Bonn.

Joosten, H.; Clarke, D. (2002): Wise use of mires and peatlands – Background and principles including a framework for decision-making. International Mire Conservation Group / International Peat Society, 304 p.

Joosten, H., Brust, K., Couwenberg, J., Gerner, A., Holsten, B., Permien, T., Schäfer, A., Tanneberger, F., Trepel, M., Wahren, A. (2013): MoorFutures®: Integration von weiteren Ökosystemdienstleistungen einschließlich Biodiversität in Kohlenstoffzertifikate – Standard, Methodologie und Übertragbarkeit in andere Regionen. BfN-Skripten 350. Bundesamt für Naturschutz, Bonn.

Joosten, H., Tanneberger, F. & Moen, A. (Hrsg.) (2017) Mires and peatlands of Europe – Status, distribution and conservation. Schweitzerbart Science Publishers, Stuttgart. 780 p. Link

Naturkapital Deutschland – TEEB DE (2015): Naturkapital und Klimapolitik – Synergien und Konflikte. Hrsg. von V. Hartje, H. Wüstemann, A. Bonn. Technische Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Berlin, Leipzig.

Naturkapital Deutschland – TEEB DE (2016): Ökosystemleistungen in ländlichen Räumen – Grundlage für menschliches Wohlergehen und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Hrsg. von C. von Haaren, C. Albert. Leibniz Universität Hannover, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Hannover, Leipzig.

Naturkapital Deutschland – TEEB DE (2017). Fallbeispiel Ackerbau auf Moorböden und Wiedervernässung. In: Naturkapital Deutschland – TEEB DE: Neue Handlungsoptionen ergreifen – Eine Synthese. Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig.

Parish, F., Sirin, A., Charman, D., Joosten, H., Minayeva, T., Silvius, M., Stringer, L. (2008): Assessment on Peatlands, Biodiversity and Climate Change: Main Report. Global Environment Centre, Wetlands International, Kuala Lumpur, Wageningen.

Schäfer, A. (2009): Moore und Euros – die vergessenen Millionen. Archiv für Forstwesen und Landschaftsökologie 43: 156 – 160.

Succow, M. (2001): Ökologisch(-phytozoenologische) Moortypen. – In: SUCCOW, M. & JOOSTEN, H.
(Hrsg.): Landschaftsökologische Moorkunde, 2. Aufl., 229-234; Stuttgart.

Umweltbundesamt (UBA) (2016a): Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2016. Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 – 2014. Umweltbundesamt, Dessau.

Umweltbundesamt (UBA) (2016b): National Inventory Report, Germany

Wüstemann, H., Meyerhoff, J., Rühs, M., Schäfer, A., Hartje, V., 2014. Financial costs and benefits of a program of measures to implement a National Strategy on Biological Diversity in Germany. Land Use Policy 36, 307–318.

Über dieses Projekt

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Unsere Art und Weise des Wirtschaftens und Konsumierens führt zu einer Überlastung der Natur. Das beeinträchtigt die Bereitstellung viele ihrer Leistungen und bedroht unsere Gesundheit, Lebensqualität und unser Wohlbefinden. Die Natur ist aus ökonomischer Sicht ein notwendiger Kapitalbestand, den wir erhalten und wiederherstellen müssen.

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