Naturschutzökonomie auf der Weltbiodiversitätskonferenz CBD COP 15 in Montreal

Vom 7. bis 19. Dezember 2022 kamen im kanadischen Montreal Vertreter von rund 200 Staaten auf der UN-Biodiversitätskonferenz (CBD COP 15) zusammen, um globale Ziele für den Schutz von Tier- und Pflanzenarten und der weltweiten Ökosysteme zu vereinbaren. Da keine der bisher geltenden Zielsetzungen der CBD COP 10 in Nagoya 2010, die sogenannten Aichi-Ziele, in der vorgegebenen Zeit vollständig und nur sechs Ziele teilweise erreicht wurde wurden, waren die Erwartungen der Verhandler aber auch der Öffentlichkeit entsprechend hoch hoch.

Von Katrin Schikorr, Deutsche Umwelthilfe (DUH)

Vorbereitende Erklärungen und Forderungen

In Vorbereitung auf die Biodiversitätskonferenz hatten Vertreter verschiedener wissenschaftlicher Einrichtungen Deutschlands in der „Frankfurter Erklärung“ die Politik zu einem „Schulterschluss von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für ein natur-positives unternehmerisches Handeln“ aufgerufen. Die Erklärung unterstreicht besonders, dass der Nutzung der Natur dringend ein angemessener Preis einzuräumen sei.

Die CBD COP15 solle diesbezüglich den Rahmen schaffen, um den Verlust der Biodiversität zu stoppen und Lebensräume zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Deutschland als viertgrößte Wirtschaftsnation mit entsprechend großem „Biodiversitäts-Fußabdruck“ obliege es, eine entsprechende Verantwortung und Vorreiterrolle einzunehmen. Die CBD COP15 müsse Rahmenbedingungen für z.B. einheitliche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen, eine verpflichtende Biodiversitäts-Berichterstattung sowie den Abbau umweltschädlicher Subventionen für ein natur-positives Unternehmertum vorgeben und somit natur-positives Wirtschaften zum Standard machen. Zugleich fordert ein Verbund aus Forschungs- und Unternehmensvertretern unter Leitung des Leibniz-Instituts für ökologischen Raumentwicklung (IÖR) im durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „Bio-Mo-D“ eine verbindliche Wirtschaftsberichterstattung auf nationaler Ebene und für Unternehmen, welche deren Auswirkungen auf die Biodiversität als auch deren Abhängigkeiten von Biodiversität und Ökosystemleistungen erfasst und offenlegt.

Naturschutzökonomie auf der CBD COP 15

Auf der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal wurden zum Thema Naturschutzökonomie zahlreiche Side Events veranstaltet, besonders während des „Business and Biodiversity Forums“ und des „Finance and Biodiversity Day„.  

Business and Biodiversity Forum

Das „Business and Biodiversity Forum“ brachte Unternehmens- und Regierungsvertreter zusammen, um sich zu bereits umgesetzten positiven Initiativen der Privatwirtschaft auszutauschen und Richtlinien zu definieren, die große Unternehmen auf ihrem Weg zum natur-positiven Handeln unterstützen können. Hervorzuheben sind hier die Sitzungen „Embedding Biodiversity into Business“ und „Measuring ambitions: Valuing nature in decision-making”, die sich mit der Ausgestaltung des Ziels 15 auseinandersetzten.

Jenes Ziel 15 zieht das Staatenbündnis – allerdings ohne konkreten Zeithorizont – in die Verpflichtung, die rechtlichen und administrativen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass große und länderübergreifend agierende Unternehmen Abhängigkeiten von und Auswirkung auf Biodiversität messen, kontrollieren und regelmäßig berichten können.

Finance and Biodiversity Day

Vertreter der Finanzbranche kamen am „Finance and Biodiversity Day“ zusammen, um Perspektiven zu diskutieren und Rahmenbedingungen für den Finanzsektor zu schaffen, die das Globale Post-2020 Rahmenprogramm für die biologische Vielfalt der Biodiversitätskonvention (Post-2020 Global Biodiversity Framework) begleiten und unterstützen sollen. Hier vereinte z.B. der vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung- UFZ und der Value Balancing Alliance veranstaltete Side Event „Business and biodiversity: The essential role of global sustainability reporting standards and their impact on corporate decision making” führende Organisationen und Initiativen, um über die Integration von Biodiversität in die Unternehmensberichterstattung zu informieren und Schritte für eine Implementierung („Mainstreaming“) zu erörtern. Abschließend wurde festgestellt, dass mehr Zusammenarbeit und gemeinsames Handeln von öffentlichen und privaten Initiativen erforderlich sind, um eine gelungene Integration von Biodiversität in die Berichterstattung von Unternehmen und Finanzinstituten zu gewährleisten und somit Biodiversität in nachhaltigere Geschäftsmodelle einfließen zu lassen. Bei Methoden sowie der Bereitstellung relevanter Daten seien kooperative und transparente Ansätze entscheidend, und praxistaugliche Ansätze und Indikatoren müssten gewählt werden, um Unternehmen und Finanzinstitute in ihrer Umsetzung nachhaltiger Nutzungsstrategien zugunsten des Erhalts der Biodiversität zu unterstützen.

Mehr Details ==> Bio-Mo-D Policy Brief zur Weltbiodiversitätskonferenz CBD COP 15
„Verlust von Biodiversität als wirtschaftliches Risiko: Forderung nach mehr Transparenz zur Rolle von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Unternehmen und Wirtschaft“

Business For Nature (BfN), eine globale Koalition aus Unternehmens- und Umweltschutzgruppen, konnte mehr als 400 Unternehmen und Finanzinstitutionen aus 52 Ländern vereinen, die die entsprechenden Regierungsvertreter in einer „Make it Mandatory“ Kampagne aufrufen, verpflichtende nationale Wirtschafts- und Unternehmensberichterstattungen einzuführen, die die Abhängigkeiten von der und Auswirkungen auf die Natur bemessen und offenlegen. Unterzeichnende Unternehmen aus Deutschland sind hier bisher EDEKA Zentrale Stiftung & Co. KG, Heidelberg Materials, RWE AG, Tchibo, und die ORTOVOX Sportartikel GmbH.

In einer weiteren Finance for Biodiversity Initiative flankieren 98 globale Finanzinstitutionen aus 19 Ländern das „Finance for Biodiversity Pledge“, erkennen ihre Verantwortung im Kampf gegen die Biodiversitätskrise an und verpflichten sich zu weiteren Schritten, Finanzströme von umweltschädlichen Aktivitäten hin zu natur-positiven Aktivitäten umzuleiten.

Die Global Biodiversity Framework Abschlusserklärung und erste Umsetzungsschritte

In der Abschlusserklärung am 19.12.2022 wurde schließlich eine neue globale Rahmenerklärung für biologische Vielfalt, das „Kunming- Montreal Global Biodiversity Framework„, verabschiedet. In Hinblick auf Themen der Naturschutzökonomie sollen hier besonders die Ziele 15, 18 und 19 hervorgehoben werden:

Dazu zählt zum Beispiel, dass Staaten Rahmenbedingungen schaffen sollen, dass Unternehmen und Finanzinstitutionen ihre Abhängigkeit von und Auswirkungen auf die biologische Vielfalt offenlegen (Ziel 15). Finanzielle Aspekte, wie die Reduzierung kontraproduktiver Subventionen oder die finanzielle Absicherung für Artenschutz, finden sich in den Zielen 18 und 19. Bis 2030 sollen 500 Milliarden USD an biodiversitätsschädlichen Fördermitteln weltweit abgebaut werden, das betrifft insbesondere Subventionen (Ziel 18). Ebenfalls bis 2030 sollen – in allen Ländern zusammen – 200 Milliarden USD pro Jahr weltweit für den Schutz der biologischen Vielfalt mobilisiert werden (Ziel 19). Hier benannte die chinesische Konferenzleitung Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium und Jeanne d’Arc Mujawamariya, Ruandas Umweltministerin, die Bereitstellung ausreichender Finanzmittel zwischen Industrie bzw. weiter entwickelten – und Entwicklungsländern vermittelnd zu überblicken.

Die umfangreichen und notwendigen Ziele gilt es nun rasch durch konkrete Maßnahmen mit Leben zu füllen und in Deutschland – als positives Beispiel auch für die anderen Staaten – umzusetzen. Deutschland ist dabei verpflichtet, in seiner laut dem Koalitionsvertrag der die Bundesregierung tragenden Parteien neu aufzusetzenden Nationalen Biodiversitätsstrategie und Strategischen Aktionsplänen zu beschreiben, wie die Ziele umgesetzt werden. Mithilfe nationaler Berichte soll regelmäßig überprüft werden, ob die nationalen Anstrengungen zur Erreichung der Ziele ausreichen; ein erster globaler Vergleich steht für 2026 an.

Weitere Instrumente zur Unterfütterung des Abkommens sollen laut Bundesumweltministerin zudem noch in diesem Frühjahr bekannt gegeben werden. Dabei gilt es auch, bei begleitenden relevanten Verordnungen wie der der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Pflanzenschutzmittel- und der Wiederherstellungsverordnung, aber auch bei Schutzgebiets- und landwirtschaftlichen Regelungen Verantwortlichkeiten zwischen EU, Bund und Ländern zu klären, ohne sich aus der Verantwortung zu ziehen.

Auch wenn es mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) und dem geplanten Aktionsplan Schutzgebiete erste anspruchsvolle Ziele gibt, die Teile des Global Biodiversity Frameworks angehen, fehlen klare Vorschläge zu einer Umsetzung der unternehmensorientierten Ziele für Deutschland noch völlig. Über die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI – Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD)) fördert das BMUV seit Januar 2023 Projekte zur Erarbeitung von Instrumenten, die Unternehmen weltweit eine Berichterstattung zu Naturauswirkungen und –abhängigkeiten ermöglichen sollen. Die Frankfurter Erklärung bietet hier erste konkrete Vorschläge zur möglichen Bemessung und Monitoring in Richtung eines natur-positiven Wirtschaftens in Deutschland.


TARGET 15

Require large and transnational companies and financial institutions to monitor, assess, and transparently disclose their risks, dependencies and impacts on biodiversity through their operations, supply and value chains and portfolios

  • Take legal, administrative or policy measures to encourage and enable business, and in particular to ensure that large and transnational companies and financial institutions:
  • (a) Regularly monitor, assess, and transparently disclose their risks, dependencies and impacts on biodiversity including with requirements for all large as well as transnational companies and financial institutions along their operations, supply and value chains and portfolios;
  • (b) Provide information needed to consumers to promote sustainable consumption patterns;
  • (c) Report on compliance with access and benefit-sharing regulations and measures, as applicable;
  • in order to progressively reduce negative impacts on biodiversity, increase positive impacts, reduce biodiversity-related risks to business and financial institutions, and promote actions to ensure sustainable patterns of production.

TARGET 18

Identify by 2025, and eliminate, phase out or reform incentives, including subsidies harmful for biodiversity, in a proportionate, just, fair, effective and equitable way, while substantially and progressively reducing them by at least500 billion United States dollars per year by 2030, starting with the most harmful incentives, and scale up positive incentives for the conservation and sustainable use of biodiversity.

TARGET 19

Substantially and progressively increase the level of financial resources from all sources, in an effective, timely and easily accessible manner, including domestic, international, public and private resources, in accordance with Article 20 of the Convention, to implement national biodiversity strategies and action plans, by2030 mobilizing at least 200 billion United States dollars per year, including by:

(a) Increasing total biodiversity related international financial resources from developed countries, including official development assistance, and from countries that voluntarily assume obligations of developed country Parties, to developing countries, in particular the least developed countries and small island developing States, as well as countries with economies in transition, to at least US$ 20 billion per year by 2025, and to at least US$ 30 billion per year by 2030;

(b) Significantly increasing domestic resource mobilization, facilitated by the preparation and implementation of national biodiversity finance plans or similar instruments according to national needs, priorities and circumstances

(c) Leveraging private finance, promoting blended finance, implementing strategies for raising new and additional resources, and encouraging the private sector to invest in biodiversity, including through impact funds and other instruments;

(d) Stimulating innovative schemes such as payment for ecosystem services, green bonds, biodiversity offsets and credits, benefit-sharing mechanisms, with environmental and social safeguards

(e) Optimizing co-benefits and synergies of finance targeting the biodiversity and climate crises,

(f) Enhancing the role of collective actions, including by indigenous peoples and local communities, Mother Earth centric actions and non-market-based approaches including community based natural resource management and civil society cooperation and solidarity aimed at the conservation of biodiversity

(g) Enhancing the effectiveness, efficiency and transparency of resource provision and use.

Über dieses Projekt

Natur ist unser Kapital ist eine Kampagne, um den Wert unseres Kapitals Natur anhand der Aufbereitung von Fallbeispielen aus Wissenschaft und Praxis sichtbar zu machen. Intakte und funktionsfähige Ökosysteme und ihre Leistungen bilden die Existenzgrundlage unseres Lebens. Dennoch wird der Wert dieses Kapitals nicht ausreichend in öffentlichen und privaten Entscheidungen berücksichtigt.

Unsere Art und Weise des Wirtschaftens und Konsumierens führt zu einer Überlastung der Natur. Das beeinträchtigt die Bereitstellung viele ihrer Leistungen und bedroht unsere Gesundheit, Lebensqualität und unser Wohlbefinden. Die Natur ist aus ökonomischer Sicht ein notwendiger Kapitalbestand, den wir erhalten und wiederherstellen müssen.

Nicht die Natur braucht uns, sondern wir brauchen die Natur und ihre Leistungen!

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